PLASTIK und das HERZ

Wir leben im sogenannten Plastikzeitalter. Plastik ist ein künstliches Material, welches aus Erdöl hergestellt wird und in der Regel durch chemische Prozesse aus kleineren Bausteinen, den sogenannten Monomeren, aufgebaut ist. Plastik hat eine Polymermatrix mit tausenden von chemischen Zusätzen für Farbe und Stabilität. Wir verbrauchen 40 kg Plastik pro Kopf pro Jahr, in Europa vermutlich das Doppelte. Wir benötigen Plastik in unserem Alltag ununterbrochen – ohne Kunststoffe wären Medizin, Technologie, selbst Kultur (Musikstreaming, Malfarben) sowie die Fischerei im Meer nicht möglich. Plastik findet sich auch in Verpackungen, Kosmetika, Kinderspielzeug oder sogar in medizinischen Produkten. Plastik ist aber nicht einfach gebunden. Beim Waschen von 6 Kilogramm synthetischer Kleidungsstücke in der Waschmaschine werden hunderttausende von Plastikpartikeln freigesetzt. Was bedeutet es für unseren Körper und unser Herz? Plastik stellt ein großes Problem für Umwelt und Tiere dar. Die Langzeitschäden dieser Plastikexposition sind nicht ausreichend bekannt. In den letzten Jahren haben sich über fünf Milliarden Tonnen Plastik in der Natur abgelagert. Es wird tausende von Jahren dauern, bis sich dieses Plastik abbauen kann. Plastik zerfällt dabei in fast unsichtbare Mikropartikel – in Mikroplastik (d. h. < 5 mm groß) oder Nanoplastik (d. h. < 1 mm). Die Erde baut Plastik in ihre Kreisläufe ein; man findet Plastik in den Fischen, in der Leber und im Fett des Menschen beispielsweise. Mikroplastik wird mit der Luft und über Gewässer, d. h. Seen und Flüsse, transportiert. Mit jedem Schluck Wasser nehmen wir Polyethylenterephthalat (d. h. PET) auf, ein Polyester. Gemäß der WHO sei Plastik in Lebensmitteln kein Problem für den Menschen – im Gegensatz zu Meerestieren und Seevögeln, die daran verenden können. Plastik kann zwar schützende Eigenschaften haben und die Wirkung von Pestiziden vermindern sowie Fischen oder Meeresorganismen auch als Lebensraum dienen. Viele Tierstudien konnten keine negative Wirkung von Mikroplastik zeigen. Dennoch: Es gibt keine Entwarnung. Es wurden Angiosarkome der Leber nach beruflicher PVC-Exposition beschrieben. Und wir werden vielen potenziell schädlichen Stoffen neben Plastik wie Medikamentenresten, Röntgenkontrastmitteln etc. ausgesetzt. Zudem: Die Wirkung des Mikroplastiks auf das Klima ist schwer abzuschätzen. Plastik ist bereits Teil der Gesteine; was damit auf die Länge geschieht, bleibt offen.

Wie ist es nun mit dem kardiovaskulären System?

Polyethylen und PVC in den Plaques der Arterien

Neben der normalen Exposition durch die Umwelt gibt es auch in der Kardiologie gewisse Devices und Implantate, die aus Plastik bestehen. Nebenwirkungen davon wurden selten beschrieben. Aber via Darm gelangt Plastik in den Blutkreislauf, v. a. Polyethylen und PVC.

Mikro- und Nanoplastik (MNP) kann sich dann in den arteriosklerotischen Plaques ablagern und so das kardiovaskuläre Risiko erhöhen. Tierexperimente und Zellkulturen zeigen, dass MNPs sich in stark vaskularisiertem Gewebe und im Herz nach Einatmung oder Essen akkumulieren. Es werden Entzündungsreaktionen durch Plastik ausgelöst.

Im März 2024 wurde in der besten wissenschaftlichen Zeitung der Medizin (New England Journal of Medicine) eine Studie von Marfella et al. publiziert, wie viel MNP (v. a. Partikel kleiner als 0,2 mm) in den Plaques von hochgradigen Stenosen der zum Gehirn führenden Arterien (Carotiden) vorhanden ist (257 Patienten). 58,4 % hatten Polyethylen und 12,1 % PVC in den Plaques. Man hat die Patienten während 33,7 ± 6,9 Monaten beobachtet. Bei den Patienten mit MNPs in den Plaques bestand im Verlauf ein 4,53-fach größeres Risiko für Myokardinfarkt, Apoplexie oder Tod. Allerdings ist damit nicht bewiesen, dass das Polyethylen und PVC in den Plaques wirklich dafür verantwortlich ist.

Dennoch: Auch wir in der Kardiologie müssen bewusst mit Plastik umgehen und uns bewusst sein, dass möglicherweise eine Exposition mit viel MNP einen zusätzlichen kardiovaskulären Risikofaktor darstellt.

Weichmacher (Phthalate) als Ursache von Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Ein weiterer Aspekt von Plastik sind die sogenannten Weichmacher im Plastik, die sogenannten Phthalate. Lange Zeit galten sie als unproblematisch, aber auch Phthalate stellen ein unterschätztes Risiko für unsere Herzgesundheit dar. Phthalate machen Plastik elastisch und finden sich in einer Vielzahl von Alltagsprodukten. Phthalate gehören aber zu den sogenannten endokrinen Disruptoren – Substanzen, die in das Hormonsystem eingreifen können. Über Lebensmittelverpackungen, Kosmetika oder die Luft gelangen sie in unseren Körper. Forschende der NYU Langone in New York haben kürzlich Daten aus über 200 Ländern ausgewertet. Im Fokus stand dabei DEHP (Di-2-ethylhexylphthalat), eines der am häufigsten eingesetzten Phthalate. Die Forscher zeigten, dass im Jahr 2018 weltweit rund 350 000 Todesfälle auf die Belastung durch DEHP zurückzuführen sein könnten, v. a. in der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen. Das würde etwa 13 % aller Herz-Kreislauf-Todesfälle in dieser Altersgruppe entsprechen. Die meisten Fälle traten in Asien, im Nahen Osten und im Pazifikraum auf. Doch auch in Europa und der Schweiz sind wir tagtäglich mit Phthalaten in Kontakt. Phthalate können Entzündungen in den Gefäßwänden und die Arterienverkalkung fördern. Zudem können hormonelle Veränderungen auftreten, die das Risiko für Herzkrankheiten erhöhen. Möglicherweise führen sie auch zu einer Verstärkung anderer Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht oder Diabetes.

Wie ist das im Alltag? Phthalate lassen sich nicht komplett vermeiden – doch jeder kann die Belastung reduzieren. Beispielsweise sollte man Plastik nicht erhitzen (z. B. in der Mikrowelle), und Lebensmittel sollte man möglichst in Glas, Edelstahl oder Keramik aufbewahren. Kosmetika und Reinigungsmittel muss man kritisch prüfen: Bei unklaren Inhaltsstoffen wie „Parfum“ oder „Duftstoff“ können Phthalate enthalten sein. Man sollte frische, wenig verarbeitete Lebensmittel bevorzugen – das reduziert gleichzeitig Plastikverpackungen. In der EU und in der Schweiz sind einige Phthalate bereits eingeschränkt, insbesondere für den Einsatz in Spielzeug oder Babyprodukten. In bestimmten Bereichen – zum Beispiel bei medizinischen Geräten – gibt es jedoch noch Ausnahmen. Deshalb ist es wichtig, dass Forschung und Behörden das Thema weiterhin genau beobachten.

Die neue Studie macht deutlich: Chemikalien in Kunststoffen könnten eine größere Rolle bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen spielen, als bisher angenommen. Wir können mit kleinen Veränderungen im Alltag die Kunststoffbelastung verringern. Weitere Forschung wird dringend notwendig sein, um zu zeigen, wie stark der Einfluss von Plastikprodukten ist.

 

Quellen

  • Trasande L. et al. Phthalate exposure and cardiovascular mortality: a global burden analysis. 2025.
  • CNN Health. Plastic chemicals may be linked to 350,000 deaths from heart disease, study finds. April 29, 2025.
  • Washington Post. Plastic chemicals may be linked to hundreds of thousands of deaths from heart disease. April 29, 2025
  • Marfella et al. New England Journal of Medicine 2024
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